Milt Jackson and Wes Montgomery – Bags meets Wes! (1961)
Riverside RLP 9407
Aufgenommen in Plaza Sound Studios, New York City, 18. und 19. Dezember 1961
Tracklist:
S.K.J. (Milt Jackson)
Stablemates (Benny Golson)
Stairway to the Stars (Parish-Malneck-Signorelli)
Blue Roz (Wes Montgomery)
Sam Sack (Milt Jackson)
Jingles (Wes Montgomery)
Delilah (Victor Young)
Bonustracks auf CD:
Stablemates (Take 2)
Stairway to the Stars (Take 2)
Jingles (Take 8)
Delilah (Take 3)
Milt Jackson (vibes), Wes Montgomery (guitar), Wynton Kelly (piano), Sam Jones (bass), Philly Joe Jones (drums)
Eine Blowing Session zweier Stallgenossen
Es mag eine Legende sein oder eine wahre Anekdote, aber Orrin Keepnews hört nicht auf sie zu wiederholen: Als der Labelboss den Vibraphonisten Milt Jackson zu Riverside holen wollte, hatte der Musiker gegen Ende der Verhandlungen noch eine besondere Forderung. Er würde nur unterschreiben, so Jackson, wenn es eine gemeinsame LP mit Wes Montgomery geben würde. Eine merkwürdige Bedingung, denn Milt Jackson war zu dieser Zeit bereits ein bedeutender Jazzmusiker mit einer kaum zu toppenden Diskografie, und Wes Montgomery gerade mal ein aufgehender Stern. Doch „Bags“, wie der Vibraphonist wegen seiner Tränensäcke genannt wurde, hatte bereits einen Narren an dem Gitarristen aus Indianapolis gefressen, als der zwei Jahre zuvor seine ersten Gigs in New York spielte.
Milt Jackson hat seine Sporen bei Dizzy Gillespie verdient, aus dessen Band heraus sich das Modern Jazz Quartet entwickelte, eine der bekanntesten und einflussreichsten Jazz-Combos, deren Geschichte sich mit Unterbrechungen von den Fünfiger Jahren bis 1993 spann. Mitte der 1950er Jahre hat er als Co-Leader (!) mit Miles Davis aufgenommen, mit dem MJQ Klassiker wie „Django“ und 1959 mit Coltrane eine LP namens „Bags & Trane“ eingespielt. 1961 gehörte Milt Jackson ohne Zweifel zu den großen Stars des amerikanischen Jazz, auch deshalb, weil er die Verwendung des Vibraphons im Jazz revolutioniert und damit ganze Generationen an diesem Instrument beeinflusst hat. (Ähnlich wie Charlie Christians und Wes Montgomery es für die Gitarre getan haben.)
Für Wes Montgomery wiederum war die Zusammenkunft die erste Co-Leader-Session mit einem aus dem Jazz-Olymp. Nur zwei Jahre, nachdem er seine erste LP bei Riverside aufgenommen hatte, war der Gitarrist damit „ganz oben“ angekommen.
Bags & Wes, das ist Begegnung zweier Musiker, die nicht nur beinahe gleich alt sind (sie trennen nur wenige Wochen), beide sind auch sehr im Blues verhaftet, was sich wiederum in der Titelauswahl widerspiegelt. Für Wes hat die Musik von Milt Jackson zudem etwas sehr familiäres, denn seine Brüder hatten Ende der 1950er Jahre an der amerikanischen Westküste mit den „Mastersounds“ eine Gruppe gegründet, die sich sehr deutlich am Modern Jazz Quartet mit seiner typischen Besetzung von Vibrafon, Piano, Bass und Drums orientierte. Auch Wes‘ Bruder Buddy spielte Vibraphon, zusätzlich zu seinem Hauptinstrument Piano.
Trotz dieser Parallelen und Verwandtschaften ist es erstaunlich, wie gut sich Bags und Wes auf Anhieb verstanden. Beide hatten zuvor nie zusammen gespielt, und die vorliegenden Aufnahmen sind in gerade mal zwei Tagen entstanden. Eine für die Zeit typische „Blowing Session“ also, bei der normalerweise typische Jazzstandards gespielt wurden. Umso bemerkenswerter, dass hier beide Leader je zwei eigene Stücke einbringen, wobei Wes‘ „Jingles“ bereits früher erschienen ist und zu seinen typischen Live-Stücken gehörte. „S.K.J“, „Blue Roz“ und „Sam Sack“ sind hingegen Originale dieser Session. Die Standards „Stairway to the Stars“, „Delilah“ und „Stablemates“ ergänzen die Liste, wobei letzteres Stück natürlich gewählt wurde, weil Wes und Bags nun im gleichen Stall an den Start gingen, nämlich bei Riverside.
Mit Bassist Sam Jones hatte Wes bereits mehrfach zusammengearbeitet, unter anderem beim Nat Adderly Sextet und bei der LP „Movin‘ Along“. Neu hingegen ist Wynton Kelly, der Pianist des legendären Miles Davis Quintets, der in diesen Jahren fast im Wochenrhythmus großartige Jazzalben aufnahm, nicht nur mit Davis, sondern auch mit Coltrane, Adderley, Griffin und vielen, vielen anderen. Er bringt hier Philly Joe Jones mit, den Drummer von Miles Davis. Kelly wird in den folgenden Jahren immer wieder mit Wes Montgomery spielen. Die gemeinsamen Liveaufnahmen von 1962 („Full House“) und 1965 („Smokin‘ at the Half Note“) markieren musikalische Höhepunkte in Wes‘ Diskografie – ebenso wie das Album mit Bags.
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