Wes Montgomerys Gitarren

von Oliver Dunskus

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„I started in 1943, right after I got married. I bought an amplifier and a guitar about two or three months later“ (Wes Montgomery im Down-Beat Interview mit Ralph J. Gleason, in der Ausgabe vom 20. Juli 1961)

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Wes mit ES 125-D
Wes mit ES 125-D

Da war er also: zwanzig Jahre alt, ein schwarzer Arbeiter, Familienvater, Schweißer von Beruf, und beschloss – ohne dass er das Instrument beherrschte – etwa einen Monatslohn für eine Gibson auszugeben. Auf den frühesten Fotos sieht man ihn mit einer Gibson ES 125-D mit zwei Alnico „Black Ear“ Tonabnehmern, und die wurde ab 1943 gebaut (1), eine preiswertere Variante der Legendären Charlie Christian Gitarre, der ES-150, jedoch zusätzlich mit einem Stegtonabnehmer bestückt. Für 125 Dollar gab es also die Gitarre und den Verstärker dazu, und das war wohl das Equipment, mit dem Wes auf den Lionel-Hampton-Aufnahmen von 1948-50 (fast nicht) zu hören ist, am besten noch auf dem Stück „Moonglow“.

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Doch bereits 1957, vor Erscheinen der ersten Montgomery-LP „The Montgomery Brothers plus 5 Others“, also noch vor dem großen Durchbruch zwei Jahre danach, ist Wes mit einer anderen Gitarre zu sehen, einer Gibson L-5CES mit Alnico V Pickups, die ab 1953 gebaut wurde (2). Mit dieser Gitarre ist Wes auch auf einer Gibson Werbung von 1964 zu sehen, als die L-5CES schon 6 Jahre mit Humbucker Pickups gebaut wurde. Diese Gitarre ist auch heute nicht billig. Gibson L-5CES Modelle sind in ordentlichem Zustand gebraucht ab 4000 Euro zu kriegen, die Neupreise beginnen bei 6000 Euro. Sie muss damals im Verhältnis zu seinem Einkommen ein kleines Vermögen gekostet haben, nämlich doppelt so viel wie eine ES-175, wie sie Leuten wie Jim Hall, Joe Pass oder Herb Ellis ausreichte. Die Pacific-Aufnahmen sind also vermutlich mit dieser Gitarre entstanden. Der Klang ist deutlich höhenlastiger, leicht näselnd, wunderbar zu hören in Wes’ erstem eigenen Stück „Finger Picking“ von 1957.

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L5 mit Alnico V Pickup
L5 mit Alnico V Pickup

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Die Gibson L5

Was unterscheidet nun eine L-5CES von anderen, durchaus hochwertigen Gibson Archtops? Die L-5 liegt in der Produktpalette der Gibson Archtops knapp unter der Spitze. Die Maserung des Holzes und die aufwändigeren Verzierungen machen die Gitarre zwar teurer, aber klanglich nicht besser. Die klanglich maßgeblichen Kriterien sind vielmehr die massive Decke und die Korpusgröße. Wenn man also die langlebigen, bei Jazzgitarristen beliebteren und bis heute gebauten Archtop Modelle betrachtet, steht an der Spitze die Super 400, ein Instrument von beeindruckender Größe mit 18 Zoll Korpusbreite und massiver Decke. Ihr folgt die L-5CES, ebenfalls mit massiver Decke, aber mit lediglich 17 Zoll Korpusbreite und einer Mensur von 25.5 Zoll, darunter die ES 175 mit nur noch 16 ¼ Zoll Korpusbreite, 24 ¾  Zoll Mensur und Sperrholzdecke. Es gibt zwar noch eine Reihe weiterer Modelle, diese sind aber unter Profimusikern weniger weit verbreitet als die obigen drei. Die Klangqualität zeigt sich besonders in der Brillanz und im Dynamikverhalten, wobei Instrumente mit massiver Decke tendenziell mehr zu Rückkopplungen neigen. Und man merkt auch heutigen, weit besseren Aufnahmen an, dass die ES-175 klanglich weniger Brillanz und Dynamik aufweist.
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Wes erste Riverside-LP „A Dynamic New Jazz Sound“ von 1959 ist von mittelmäßiger Aufnahmequalität, weit von dem Niveau entfernt, was Rudy van Gelder als Toningenieur für das Konkurrenzlabel Blue Note zu dieser Zeit erreichte. Kenny Burrell berichtete, dass Wes, der Burrell sehr bewunderte und mit ihm befreundet war, sich von ihm eine L-7 für die erste dieser beiden Sessions ausgeliehen habe, weil er seine L-5 nicht mit auf die Reise nach New York nehmen wollte. Was unterscheidet nun eine L-5CES von einer L-7? Beide haben 17 Zoll Korpusse mit massiven Decken, die L-7 ist jedoch für den akustischen Einsatz konzipiert und hat demzufolge eine dünnere Decke, die empfindlicher reagiert als die Decke einer L-5CES. Leider ist auf den wenigen Bildern nicht zu sehen, mit welchen Tonabnehmern die L-7 Kenny Burrells ausgestattet war, aber insgesamt ist die Klangqualität der Aufnahmen und der Gitarre nicht beeindruckend.

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Gibson L7 mit Charlie-Christian-Pickup
Gibson L7 mit Charlie-Christian-Pickup

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Wes spielt neben der L5 diverse Modelle

Im Januar 1960 wurden, ebenfalls in New York,  das bahnbrechende Album „Incredible Jazz Guitar“ sowie Nat Adderleys „Work Song“ mit Wes als Begleitmusiker aufgenommen. Dem neuseeländischen Fotografen Larence Shustak verdanken wir das Coverfoto des ersten Albums sowie einige Fotos der Aufahmesessions des Zweiten (beide Alben wurden parallel aufgenommen). Auf den Bildern ist zu erkennen, dass Wes eine Gibson ES 175 spielt. Die Gründe für die Wahl dieser Gitarre sind nicht bekannt, naheliegend wäre natürlich wieder, dass Wes seine L-5 wieder nicht mitnehmen wollte. Dies erklärt auch, warum auf diesem Album die Gitarre anders, flacher klingt als das bei Wes sonst der Fall ist, was der Qualität der Musik aber keinen Abbruch tut.
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Das Wes mit dem Daumen zupfte ist hinreichend bekannt. Dabei spreizte er seine Rechte Hand bis an den Rand der Gitarre, was nach einigen Jahren dazu führte, dass durch den Verschleiß an der Stelle ein Loch in der Decke entstand, wie man auf einigen Bildern sehen kann. Er nutzte seine Gitarren also förmlich ab.

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Wes' L5 mit spitzem Cutaway
Wes' L5 mit spitzem Cutaway

Dies mag dazu geführt haben, dass er auf einigen wenigen Bildern ab 1962 oder 1963 mit weiteren L-5CES Modellen zu sehen ist: Einer L-5CES mit spitzem „Florentine“ Cutaway, wie sie von 1960 bis 1969 gebaut wurden (z.B. auf den LPs „Full House“ 1962, „Fusion“ 1963  und „Movin Wes“ 1964), sowie einer blonden L-5CESN älterer Bauart auf dem Cover von „Full House“. Die L5CES mit florentinischem Cutaway war später im Besitz von George Benson und wurde 2007 bei einer Auktion für 41125 Dollar verkauft. Der Käufer soll Pat Metheny gewesen sein. Die blonde L-5 CESN ist jedoch nur auf dem Cover zu sehen und wurde, wie die Bilder (3) zeigen, die Jim Marshall bei dem Konzert machte, nicht bei der Aufnahme benutzt. Es bleibt also zu spekulieren, ob sie ihm überhaupt (länger) gehörte.
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Die Gibson-Sonderanfertigungen

Gibson-Spezialanfertigung für Wes Montgomery
Gibson-Spezialanfertigung für Wes Montgomery

1964 war das Jahr, in dem Riverside Records Konkurs anmeldete, Wes zu Verve wechselte, und in dem seine Vermarktung deutlich professioneller wurde, was nach einhelliger Meinung zum Nachteil der Musik geschah. In diesem Jahr begann auch ein Endorsement Vertrag für Gibson. Man stellte drei L-5 Sonderanfertigungen für Wes her: Statt der in dieser Zeit serienmäßigen spitzen Cutaways erhielten die Gitarren wieder „Venetian Cutaways“. Und da Wes, wie die meisten Jazzgitarristen, ohnehin nur über den Hals-Tonabnehmer spielte, ließ man den Stegtonabnehmer weg, was auch zu einem dynamischeren Schwingungsverhalten in der Decke führt, da sie somit ein Loch weniger hat. Um der Abnutzung am unteren Rand vorzubeugen, wurden zwei der Gitarren danach mit speziellen Perlmutt-Einlegearbeiten versehen: Eine herzförmige und eine ovale mit einem kleinen Diamantensymbol in der Mitte. Dies geschah aber nicht bei Gibson. Bis zu seinem Tod ist Wes bei Plattenaufnahmen und Konzerten nur noch mit diesen Instrumenten zu sehen. Gelegentlich drehte er bei seinen Gitarren die Pickups, um die Pole weiter weg vom Hals zu haben.
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Die einzige Ausnahme hierzu ist eine Fotoserie, die Cedric West bei Wes’ Europatournee machte, auf der Wes in gemütlicher Runde mit Londoner Gitarristen fachsimpelt und spielt. Dabei benutzt er eine L-5C, also eine akustische L-5, die mit einem DeArmond Floating Pickup nachgerüstet wurde. Aber auch diese Gitarre gehörte ihm nicht.
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Amps & Saiten: Der Wes-Sound wird perfektioniert

Wes hat intensiv an seinem Sound getüftelt, und in den gerade mal elf Jahren seiner eigenen Plattenaufnahmen verbesserte sich der Klang zunehmends, auch mithilfe von Rudy van Gelder, einem der renommiertesten Toningenieure seiner Zeit, der auch die ideale Aufstellung von Mikrophonen zur Perfektion betrieb und dabei seiner Zeit voraus war. Fast alle Platten für Verve und später A&M wurden in van Gelders Studios in New Jersey aufgenommen, und Wes verwendete dabei, wie sein Biograph Adrian Ingram schreibt, stets einen studioeigenen Fender Deluxe Reverb Amp.
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Wes mit Standel-Amp
Wes mit Standel-Amp (1965)

Wes war mit dem Klang seiner Gitarren zufrieden, nicht aber mit dem Klang seiner Verstärker. Er experimentierte viel, blieb letzten Endes bei Fender Röhrenverstärkern hängen, spielte aber auch einen – heute seltenen – Standel Custom Verstärker.

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Als Saiten verwendete er, so Ingram, relativ dicke Gibson HiFi Saiten der Größe 0.14, 0.18, 0.25 wound, 0.35, 0.48 und 0.58.
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Eine weitere, exotische Ausnahme dieser doch sehr konsequenten Entwicklung ist die Gitarre, die Wes auf einigen Stücken der Riverside-LP Moving Along spielt. Die Platte wurde im Oktober 1960 aufgenommen, und für einige Aufnahmen eine borgte sich Wes eine sechssaitige elektrische Gitarre von Nat King Cole’s Gitarrist Irving Ashby aus, die eine Oktave tiefer gestimmt war als eine Normale, was man damals als „Bass Guitar“ bezeichnete, im Gegensatz zum viersaitigen „Electric Bass“, der damals im Jazz aber noch selten gespielt wurde. Auf dieser Gitarre spielt es mit einer beeindrucken Schnelligkeit und Wendigkeit.
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Wes "Heart" vor der Restaurierung
Wes "Heart" vor der Restaurierung

Die meisten Wes-Gitarren sind verschollen

Der Verbleib der meisten Instrumente nach Wes’ Tod 1968 ist unklar. Die „Diamond L-5“ wurde zum Exponat eines Museums in Indianapolis. Die „Heart L-5“ war viele Jahre verschollen, tauchte aber um 2005 in sehr schlechtem Zustand bei einem New Yorker Händler auf, der sie erstmal, nicht wissend was er da vor sich hatte, bei Gibson generalüberholen ließ. Dort teilte man ihm mit, dass es sich um eine verschollene Gitarre Wes Montgomerys handelte, und man die Überholung zu Werbezwecken kostenlos durchführen würde. Die Gitarre wurde dann bei der NAMM Musikalienmesse ausgestellt und danach zu einem sechsstelligen Betrag angeboten (4). Bei der Instandsetzung stellte sich heraus, dass die Gitarre ursprünglich offenbar am Hals mit einem Johnny Smith Floating Pickup versehen war, der ausgebaut wurde.

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Von Gibson restaurierte L5 "Heart"

1993, zum 25. Todestag Wes Montgomerys, präsentierte Gibson das Wes Montgomery Signature Modell, das wie die Sonderanfertigungen nur mit einem PAF Humbucker ausgestattet, in Sunburst, Weinrot, Schwarz und Natur erhältlich ist, und preislich durch die etwas einfachere Ausstattung unter der normalen L-5 CES liegt. Der Preis liegt heute, im Frühling 2010, je nach Farbe ab 5000 Euro (Gibsons offizieller Preis in den USA ist rund 11000 Dollar). Zum 50. Geburtstag des Custom Shops brachte Gibson 2004 eine Auflage des Wes Montgomery Modells mit Herzintarsie heraus.

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Fußnoten:

(1) Gruhn’s Guide to Vintage Guitars 1991, Seite 119

(2) Gruhn’s Guide to Vintage Guitars 1991, Seite 119

(3) Wes Montgomery – The complete Riverside Recordings, Begleitheft S. 17 und S. 28

(4) http://www.gould68.freeserve.co.uk/wesg.htm

 

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