Bumpin‘

Wes Montgomery – Bumpin‘ (1965)


Verve
aufgenommen 16. bis 20. Mai 1965, van Gelder Recording Studios, Englewood Cliffs, New Jersey

Wes Montgomery - Bumpin' (1965)
Wes Montgomery - Bumpin' (1965)

Wes Montgomery (g)
Roger Kellaway (p)
Bob Cranshaw (b)
Grady Tate (dr)
Don Sebesky (arr, cond)

Tracklist:
1. Bumpin‘ (Wes Montgomery)
2. Tear It Down (Wes Montgomery)
3. A Quiet Thing (Fred Ebb, John Kander)
4. Con Alma (Dizzy Gillespie)
5. The Shadow of Your Smile (Johnny Mandel, Paul Francis Webster)
6. Mi Cosa (Wes Montgomery)
7. Here’s That Rainy Day (Jimmy van Heusen, Edward Chester Babcock, Johnny Burke)
8. Musty (Donald John „Don“ Sebesky)

Nicht auf der ursprünglichen LP:
9. Just Walkin‘ (Wes Montgomery)
10. My One And Only Love (Guy B. Wood, Robert Mellin)

Nur auf CD:
11. Just Walkin‘ (alt. take)

Ein neues Kapitel

Wes zweites Album für Verve und Produzent Creed Taylor ist gleichzeitig die erste Zusammenarbeit mit Arrangeur Don Sebesky. Diese Kooperation wird die Karriere des Gitarristen bis zu seinem frühen Tod prägen. Darüber hinaus ist es der Beginn des sogenannten CTI-Sounds, einem Vorläufer des Smooth- oder Pop-Jazz, der erst bei Taylors späterer Firma CTI zu voller Blüte kam. Aber hier ist der Ausgangspunkt, auch produktionstechnisch. Weil Wes im Studio von Rudy Van Gelder total gehemmt war angesichts der klassisch ausgebildeten Musiker der Streicher-Sektion, erfanden Taylor und Sebesky ein damals völlig neues Verfahren. Wes durfte mit kleiner Besetzung seine Stücke einpielen, Sebesky entwickelte dann auf der Basis des eingespielten Materials neue Arrangements. Dieses Verfahren wurde auch später bei allen Künstlern angewendet, die, so Sebesky, „besonders kreativ“ waren.

Im Mai 1965 aufgenommen, ist Bumpin‘ für Wes nur ein weiterer Höhepunkt des Jahres. Im Winter hatte er begonnen, im New Yorker Half Note Club zu gastieren. Im Februar spielte er mit dem Mabern-Trio. Ab März dann begab er sich zu seiner einzigen Tournee außerhalb der USA. In Italien, England, Holland, Frankreich und Deutschland spielt er umjubelte Konzerte. Ab Juni schließlich spielte er mit dem Wynton-Kelly-Trio im Half Note. Vermutlich hat Wes nie besser gespielt als in diesen Konzerten mit dem damals wohl begehrtesten Jazz-Trio der Welt. Doch zuvor, wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Europa, darf er im damals wohl besten Studio der Ostküste aufnehmen. Und Rudy Van Gelder zaubert ihm einen Sound aufs Band, der fortan und für immer sein Sound sein wird.

Wes schwelgt im Van-Gelder-Sound

Langsam schleicht sich dieses Album heran. Bumpin‘, das Titelstück, ist ein fast siebenminütiges Gitarrenstück im 6/8-Takt, das sich gemächlich entwickelt, seine musikalische Struktur kaum verändert und auf harmonische Mätzchen verzichtet. Ein für die damalige Zeit sehr modernes, Groove-orientiertes Stück, bei dem  Don Sebesky ein dezentes, an wenigen Stellen jedoch markant hervortretendes Streicherarrangement erarbeitet hat. Gitarristisch interessant ist weniger, was Wes spielt, grandios ist vor allem der volle, perkussive Sound der Gitarre, vor allem in den Oktavpassagen.

Mit Tear It Down folgt eine locker swingende Nummer, die ohne Streicher auskommt, aber auch keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Auch hier soliert nur die Gitarre.

Die Ballade A Quiet Thing startet mit schönen Solo-Akkorden von Wes, gleitet nach diesem viel versprechenden Ansatz jedoch schnell ins Schnulzige ab. Am Ende versöhnen wieder ein paar schöne Jazzharmonien.

Dizzy Gillespies Con Alma schließt von der Stimmung und vom Sound her an das Titelstück an, ist aber vom Groove her stärker von den Percussions getragen. Wes nimmt sich hier etwas mehr Raum, um ein paar anspruchsvollere Lines zu spielen. Das Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Gitarre und Strings zeigt den Einfluss und das Können von Don Sebesky.

Natürlich muss auch ein Tophit dabei sein: The Shadow of Your Smile ist der Ohrwurm, der für den kommerziellen Erfolg der Platte garantieren soll. Wes spielt das Thema in Oktaven, während die Band straight groovt und die Geigen jammern. Nach 2:17 Minuten ist es dann auch zum Glück vorbei.

Mit Mi Cosa findet sich auf der Platte eines der wenigen Solostücke, die Wes aufgenommen hat. Mi Cosa ist eine Komposition von Wes und hier mit Streicherhintergrund und mit gelegentlicher Bass-Unterstützung zu hören. Eine echte Solo-Version findet sich auf Body und Soul, einer Aufnahme aus England, wenige Woche vor den Aufnahmen zu Bumpin‘ eingespielt. Mi Cosa ist eine eher untypische Jazzballade, denn die Anklänge an die klassische Gitarrentradition sind unüberhörbar.

Here’s That Rainy Day ist einer weiterer Höhepunkt von Bumpin‘. Wes hatte den Standard wenige Montae zuvor für seine Quartett-Auftritte mit dem Mabern-Trio für sich arrangiert. Es ist auch auf vielen Aufnahmen aus Europa – die Tour war gerade zu Ende – zu hören. Wes war also super vorbereitet, und so versprüht dieser Titel eigentlich die meiste Frische und Freude.

Die ursprüngliche LP wird von Musty beendet, einer Komposition von Don Sebesky. Der 12-Takter ist ein locker Ausklang mit Blues-Anleihen und einen Rhythmus, den auch ein tauber Weißer als Swing identifizieren würde. Hier darf dann auch endlich mal Pianist Roger Kellaway zeigen, dass er improvisieren kann – bis hierher durfte das nur die Gitarre!

Die Wes-Komposition Just Walkin‘, ebenfalls ein 12-taktiger Blues, fand nicht ihren Weg auf die LP und wurde erst, gemeinsam mit dem ebenfalls aufgenommenen My One And Only Love, auf der Verve-LP Just Walkin posthum veröffentlicht. Am Ende von Just Walkin‘ gibt es eine kurze Passage, in der Wes sein Oktavspiel variiert, indem er die Melodie mit dem Basston zwei Oktaven tiefer und (ich vermute es jedenfalls, bin mir aber nicht ganz sicher) der über dem Basston liegenden Quinte doppelt. Ein sehr stranger Sound, der an die digitalen Effektgeräte der 90er Jahre erinnert. Auf der Alternativversion, die auf der CD der Masteredition zu finden ist, spielt er sogar eine zwei längere Passage auf diese Weise.

My One And Only Love ist eine Ballade mit satter Streicherunterstützung und sanften Tönen aus Wes Gitarre. Zum Schluss schenkt uns Wes noch einmal sein schönes Akkordspiel.


Wes Montgomery - Bumpin’

Wes Montgomery - Bumpin’ (Liner notes Chuck Taylor)

Wes Montgomery - Bumpin’ 2

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