Überraschung kurz vor Weihnachten: Die US-Seite Wolfgang’s Vault hat mehr oder weniger still und heimlich (ich habe den offiziellen Release Anfang November jedenfalls verpasst, obwohl ich seit Jahren jeden Newsletter danach durchsuche!) bislang unbekannte Live-Aufnahmen von Wes Montgomery bzw. den Montgomery Brothers veröffentlicht. Es handelt sich um drei Stücke vom Newport Jazz Festival 1967 – ein relativ kurzer Ausschnitt eines vermutlich deutlich längeren Auftritts am 3. Juli 1967. Wes spielt mit seinen Brüdern Buddy und Monk sowie mit Drummer Grady Tate. In zwei Stücken ist noch ein Percussionist zu hören, der bei den Angaben auf Wolfgang’s Vault nicht erwähnt wird. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um Ray Barretto handelt, mit dem Wes im Sommer 1967 mehrere Studioaufnahmen einspielte.
Die Aufnahmen, die jetzt bei Wolfgang’s Vault dokumentiert wurden, zeigen Wes in absoluter Oktavlaune. Schon im Auftaktstück, der Wes-Komposition Naptown Blues, zeigt er seine außergewöhnlichen Fähigkeiten. Nach einer längeren Singlenote-Passage geht Wes zur einem sehr dynamischen Oktavspiel über. Im engen rhythmischen Zusammenspiel mit seinen Brüdern treibt er das Stück voran.
Es folgt eine nur rund zweiminütige Version von Goin‘ Out of My Head. Das Thema des Popsongs spielt er in Oktaven, großartig begleitet von Monk und mit einem lässigen Groove, angereichert durch die Percussions von (vermutlich) Ray Barretto. Ein Solo fehlt. Das wird dann ausführlich in Tequila nachgereicht. Hier läuft Wes zu absoluter Hochform auf. Auch hier ist es ein straighter, von Drums und Percussions getragener Groove, der Wes‘ Spiel beflügelt. Dabei hält er sich gar nicht erst mit Singlenotes auf. Mit seinen Oktaven gibt er gleich nach dem Thema richtig Gas und bremst auch nicht mehr ab. In einer grandiosen Abfolge immer neuen Ideen zeigt sich Wes hier in einer geradezu beängstigenden Form. Die ganzen knapp fünf Minuten des Gitarrensolos sind ein Manifest seiner Musikalität, seines außergewöhnlichen Rhythmusgefühls und seiner Technik.
Wolfgang’s Vault, die das Archiv des Newport Festivals besitzen und nach und nach aufarbeiten und veröffentlichen, schenken uns mit dieser Viertelstunde einen wirklich kostbaren Einblick in ein kaum dokumentiertes Kapitel, nämlich das späte Zusammenspiel der drei Montgomery Brothers, die hier, knapp ein Jahr vor dem Tod des Gitarristen, wie ich finde so großartig wie nie zuvor performen. Ich will mehr davon!