Pat Metheny über Wes Montgomery

The Pat Metheny Interviews“ ist ein neues Buch von Richard Niles. Es handelt sich um die Abschrift eines TV-Features, das Niles 2007 für die BBC produziert hat (Pat Metheny – Bright Size Life). Dabei hat er Metheny, den er aus einer gemeinsame Zeit am Berklee College kennt, mehrmals interviewt. In dem Buch gibt es zwei längere Passagen, in denen Pat über den Einfluss spricht, den Wes Montgomery auf sein Spiel hatte. Ich habe die Passagen auszugsweise übersetzt. Da dies nicht mein Beruf ist, bitte ich einige holprige Formulierungen zu entschuldigen:

Wes Montgomery zu hören, war ein weiterer massiver Einfluss für mich. Da war eine Qualität in Wes‘ Spiel, die mich ähnlich berührt hat wie Miles. Jetzt, im Verlauf von 40 Jahren, habe ich meine Vorstellungen davon, was die Qualität und die Kraft dieses Sounds ausmacht. Aber damals, als Zwölfjähriger, gab es etwas Unwiderstehliches, was von Wes‘ Spiel ausging und mich dazu brachte, ihn immer wieder und wieder und wieder zu hören. Durch den Prozess der Hörens erinnert man natürlich Dinge; du erinnerst nicht nur, was Wes oder Miles spielten, sondern auch, was um sie herum passierte. Ich glaube, für mich hat das tiefe Verständnis weniger Alben ein Fenster zu der ganzen Sache geöffnet.
Und da war besonders ein Wes-Album, „Smokin‘ at the Half Note“, das damals aktuell war, aufgenommen im Dezember 1965 (Anm: das Album enthält Aufnahmen verschiedener Abende zwischen Juni und September 1965). Diese Platte wurde ein Prüfstein für mich. Aber ich war ein Fan von allen Wes-Platten, auch der damals aktuellen Verve- und späteren A&M-Aufnahmen, die von der Kritik verrissen wurden. Sie waren auch Lieblingsplatten von mir, aus ganz anderen Gründen. Sie waren, in einer ganz präzisen Art, in der Lage, meine Gefühle aktuell, sehr resonant und unglaublich tief zu beschreiben.

Wenn ich über Wes oder Miles nachdenke, würde ich die beiden beschreiben als zwei Typen, die ein klangliches Erbe hinterlassen haben, das in der gesamten Musik widerhallt, nicht nur im Jazz. Für mich gibt es in der jüngeren Vergangenheit nur einen anderen Musiker, der in diese Kategorie fällt, und das ist Jaco Pastorius. Ihr Sound reicht weit über den Jazz hinaus; es war etwas, das … du kannst keinen Fernseher anmachen, ohne etwas Populärkulturelles zu hören, das diese Sounds reflektiert. Selbst in der extremsten Ecken und Winkeln der Avantgarde ist ihr Sound Teil der Umgangssprache. Er ist überall vorhanden. Es gibt nur sehr wenige Musiker, die in ihrem Klang diese Art menschlicher Tiefe reflektieren. In diesem Sinne ist Wes für mich das gitarristische Äquivalent zu Miles. Abgesehen vom Prozess des Verstehens der musikalischen Mechanik (wie: Warum spielt es diese und nicht eine andere Note?) war es diese Tiefe, dieses Klang-Ding, das für mich unbeschreiblich wichtig war.

(…)

Wes hat seine Zeit durch einen Sound definiert, der nur aus dieser Zeit stammen konnte. Für mich ist sein einfaches Spiel auf einigen der späteren Alben, wo er nur die Melodie von „Windy“ oder so etwas, … also für mich (und ich filtere das durch etwas, was man heute als postmodernes Verständnis bezeichnet) ist das viel avantgardistischer, in der Lage zu sein, ein Solo in acht Takten zu spielen, denn das ist tiefer als 45 Minuten frei zu improvisieren. Ich würde nicht sagen, Wes hat das unbedingt auch so gesehen – ich glaube, er hat einfach getan, was er getan hat.

(…)

Meine ersten Erfolge als Gitarrist, um Kansas City herum, hatte ich mit 13, 14 Jahren in dem Bemühen, so genau wie möglich wie Wes Montgomery zu klingen. Ich war ein kleiner Junge, ich hatte eine Zahnspange im Mund. Ich spielte mit dem Daumen und hatte eine gute Wes-Imitation drauf – so wie es heute viele tausend Leute drauf haben. Ich wurde damit akzeptiert und hatte Erfolg, bekam Applaus. Aber selbst damals, in dem Alter, gab es etwas, was mich daran gestört hat. (..) Ich liebte Wes so sehr, dass es mir respektlos vorkam, wie jemand anderes zu klingen. Wäre es nicht besser, Wes ernst zu nehmen und zu sagen: „Wow, dieser Typ seinen Weg gefunden, wie kein anderer zu klingen?“ Warum kann ich nicht auch meinen eigenen Weg gehen? Wäre das nicht eine größere Ehre als ein paar Oktaven zu spielen? Das war der Punkt, an dem ich gesagt habe, stopp, das mache ich nicht mehr.

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